2021-12-17

Beinahe ein ganzes Leben Teil 4

Weiter geht’s!Ungarnfreizeit1976.jpg

Wir schreiben das Jahr 1974, die erste eigene Veranstaltung war ein durchschlagender Erfolg und machte Lust auf mehr. Tänzerisch ging es mit Riesenschritten voran. Wir suchten, fanden und absolvierten Tanzlehrgänge, vornehmlich in München, wo sich zahlreiche internationale Tanzgruppen, Tanzlehrer und Musikgruppen zusammenfanden und Workshops anboten. Das Repertoire war mittlerweile so umfangreich, es war mit einem Training nicht mehr zu schaffen. Die Raumsuche für einen zweiten Trainingstermin war in Wernau bei über 100 Vereinen allerdings kein einfaches Unterfangen. Schließlich bekamen wir montags den Musiksaal in der Schlossgartenschule angeboten. Es war zwar keine Sporthalle mit Duschen wie freitags, aber hier konnten wir mit Schuhen und Stiefeln tanzen – super!!
Liebe Hausmeister, es tut uns heute noch leid, dass wir zeitweise hässliche schwarze Striemen auf dem Boden hinterlassen haben.
Tänzerisch hatten wir klare Vorbilder vor Augen – die Nationalensembles der jeweiligen Länder, die wir „betanzten“ – nicht kleckern – klotzen!
Und gesellschaftlich? Das schulische, berufliche und soziale Leben spielte sich zu der Zeit in Wernau und näherer Umgebung ab. Die Gruppe war homogen, vor Ort und regelmäßig im Training, ein unschlagbarer Vorteil.
Die Gesellschaft war im Umbruch. Man wollte alles anders machen und den „Jahrhunderte alten moralischen Erziehungsmief“ der Vorgenerationen abschütteln. Dummerweise war man jedoch von ebendiesen abhängig, was zwangsläufig zu Kompromissen führte und uns endlose durchdiskutierte Nächte bescherte. Von spirituellen, sozial hochengagierten Mitgliedern – Stichwort antiautoritäre Erziehung – bis hin zu politisch und juristisch orientierten Tänzerinnen und Tänzern war die ganze Bandbreite vertreten. Wir haben uns die Köpfe heißgeredet und dadurch Lösungen gefunden, unseren eigenen Weg zu gehen und dabei so wenigen Menschen wie möglich auf die Füße zu treten. Hat, glaub ich, ganz gut geklappt.
Gut geklappt haben auch die Freizeiten, die wir ab da durchgeführt haben.
Angefangen hat es 1976 mit dem ersten Brückenschlag nach Ungarn. Budapest und Újpetre/Palkonya/Villány (von dort kam ein Großteil unserer Eltern) standen auf der Liste der ersten Ungarnfahrt. In der Hauptstadt war Camping angesagt, in den Heimatdörfern durften wir bei Verwandten unterkommen. Es war grandios.
Wir haben einmal mehr gelernt, vorausschauend zu planen, vorzubereiten, zu organisieren und vor allem im Team zu arbeiten, Aufgaben zu delegieren und die Ergebnisse wieder einzufordern.
Wie sehr wir davon profitierten, wurde uns oftmals erst viele Jahre später bewusst. So mancher Arbeitgeber kann davon wohl ein Lied singen.
Zurück zu dieser legendären Ungarnfahrt. Mit im Gepäck hatten wir ganz zu unterst unsere roten
Tanztrachten eingepackt. Die waren unauffällig und kaum mit der Landsmannschaft in Verbindung zu bringen – das war zu dieser Zeit politisch noch ein Problem. Andererseits wollten wir gerne als kleines Dankeschön für die unglaubliche Gastfreundschaft in den Heimatdörfern einen kleinen Auftritt machen. In der Csárdá in Villány ist uns das auch gelungen. Es war ein tolles Fest bei dem so manche Freudentränen geflossen sind. Uns hat es gezeigt, dass wir mit unserer Arbeit auf dem richtigen Weg waren. Wir waren damals schon Brückenbauer! Ein Begriff, der heute so gerne in Reden verwendet wird.
Wir haben in den folgenden Jahren noch unzählige Freizeitaktivitäten auch mit den Kindergruppen durchgeführt, dabei zweimal wöchentlich trainiert und zunehmend Auftritte bestritten. Darauf im Einzelnen einzugehen würde den Rahmen sprengen. Wir haben uns Vereinsstrukturen gegeben, sind dazu in Klausur in die „Käsküche“ ins Allgäu gefahren, um unsere Geschäftsordnung zu entwerfen und gottlob alle unverletzt wieder heimgekommen. Wir haben unter der Teck auf dem „Hörnle“ gezeltet – das war damals noch möglich – und haben Kochen im Kessel über offenem Feuer getestet. Wenn man allerdings Spaghetti in jugendlicher Ungeduld ins lauwarme Wasser schmeißt, hilft auch der größte Hunger nix mehr – der Klumpen war ungenießbar. Das Leben konnte ganz schön hart sein!
Des Weiteren haben wir, wie schon erwähnt, den „Frühlingsball“ aus der Taufe gehoben und weiterentwickelt, unseren Auftrittsradius sukzessive erweitert und zahlreiche neue spannende Kontakte geknüpft.
Dazu aber mehr in der nächsten Folge – ich bleib dran, ihr hoffentlich auch.

Bis dahin
Eure Babs

J H - 09:37 @ 50 Jahre